Warum werden Tipps von HundetrainerInnen, LehrerInnen, Autoritätspersonen kritiklos angenommen?
Zwei Beispiele:
Warum nehmen es HundehalterInnen kritiklos an, wenn der Trainer ihnen sagt, sie müssten an der Leine rucken, wenn der Hund zieht?
Warum befolgen Welpeneltern den Rat, das Hundebaby in eine Box zu sperrren?
I wonder about following blindly.
Get in line.
Psychologisch gesehen gibt es dafür bestimmt viele gute Erklärungen. Das überlasse ich mal den PsychologInnen.
Was mich mehr interessiert, ist der Punkt, an dem man zu überlegen beginnt. Warum mache ich das eigentlich? Ich kenne viele Geschichten von KundInnen, die an diesen Punkt gekommen sind und dann endlich etwas verändert haben. Nur leider ist das meistens für den Hund etwas zu spät.
The damage is done.
Kleine Fehler, große Wirkung. Das trifft auf Welpen besonders zu.
"Wir möchten, dass unser Welpe Disziplin und Gehorsam lernt."
Dieser Satz einer Kundin hallt in meinem Kopf. Der Welpe ist 13 Wochen alt, hat gerade mal 2-3kg. Was geht dem wohl im Kopf herum? Ich habe eine Ahnung: Wie überlebe ich? Wo finde ich Schutz und Sicherheit?
"Wir möchten nicht, dass der Welpe bei uns im Schlafzimmer schläft."
Auch das ein Satz, den ich oft von Welpeneltern höre. Also wird die Schlafzimmertür zugemacht und der Welpe ist in der Nacht im Wohnzimmer. Am Morgen findet man kleine "Missgeschicke" überall. Warum wohl? Nicht weil der Welpe 5 Mal in der Nacht aufs Klo musste. Weil er Angst hatte.
Diese Beispiele könnte ich seitenweise fortsetzen und auf die Frage "Warum eigentlich?" höre ich oft als Antwort "Weil wir das immer schon so gemacht haben" oder "Weil wir den Tipp von jemandem bekommen haben" oder "Das haben die in der Hundeschule gesagt", u.s.w.
Ja. Auch ich habe solche Sätze schon mal gesagt. Leider.
Und natürlich kann ich nachvollziehen, dass man besonders als ErsthundehalterIn unsicher ist. Man hat plötzlich diese andere Spezies im Haus, die man nicht versteht, aber das Bauchgefühlt sagt dir: Sie ist unheimlich süß und man will sie nur lieb haben. Trotzdem stehst du bald groß aufgerichtet mit erhobenem Zeigefinger vor deinem Welpen und sagst mit strenger Stimme ernst "Siiiitz!".
Wir sollten alle sehr vorsichtig sein, welche Ratschläge wir befolgen, was unsere Hunde betrifft. Besonders wenn es um Welpen geht: Lasst uns äußerst achtsam sein und Ratschläge oder Tipps, die wir lesen oder erhalten, noch einmal kritisch prüfen, denn sie beeinflussen das gesamte Leben des Welpen. Besinne dich dabei auf deine Werte. Hilfreich kann auch ein kurzer "Kriterienkatalog" sein, also ein paar Kriterien, nach denen man einen Trainingstipp, eine Methode oder auch nur eine Übung kritisch hinterfragt.
Meine 5 Prinzipien des Wohlbefindens
Für mich sind bei der Beurteilung von Methoden, Trends, Tipps, etc. diese 5 Kriterien wichtig:
Fragen, die du dir stellen kannst, um herauszufinden, ob eine Übung, ein Training, eine Methode oder ein Tipp für euch passt:
Humor: Macht diese Übung uns beiden Spaß? Sind wir mit Freude dabei? Macht mein Hund freiwillig mit, weil es ihm Spaß macht oder müsste ich ihn "motivieren" (also: überreden, locken, belohnen, etc.), um mitzumachen?
Unterstützung: Wie hilft diese Übung meinem Hund dabei, selbstbewusst zu werden und mitzudenken, sodass er auch selbst Entscheidungen treffen kann? Wie unterstütze ich meinen Hund dabei, Strategien zur Bewältigung in unterschiedlichen Situationen zu entwickeln? Wie helfe ich ihm, Stress abzubauen, negative emotionale Zustände zu überwinden, sein sympathisches Nervensystem runter zu fahren? Ist diese Methode dazu geeignet oder wird der Hund dadurch gestresster?
Nasenarbeit: Wie gestalte ich eine Übung, sodass mein Hund dabei erfolgreich sein kann? Hat mein Hund ausreichend Gelegenheit zu schnüffeln und seine Umwelt zu erkunden, z.B. wenn ihr irgendwo zum ersten Mal seid? Welche Art der Nasenarbeit lässt meinen Hund "glänzen"? Was macht ihm am meisten Spaß? Ist Nasenarbeit in das Training integriert?
Downtime: Hat mein Hund genug Ruhezeiten oder mache ich zu viel mit ihm? Gibt es einen Ruhetag pro Woche? Hat mein Hund nach einem Training die Möglichkeit sich zurückzuziehen und alles in Ruhe zu verarbeiten?
Empathie: Ist die Trainerin empathisch mit mir und meinem Hund? Werden wir ernstgenommen? Wird uns zugehört?
Ethik im Umgang mit dem Hund
Einige Gedanken zur Ethik im Hundetraining
Die Frage nach Ethik im Hundetraining ist für mich nicht nur eine Frage nach Fairness, Freiheiten und Werten. Es geht vielmehr darum, wie Hunde miteinander und mit uns in Kontakt treten und was es für sie bedeutet, in unserer Gesellschaft zu leben. Menschen behaupten, Moralvorstellungen zu haben, nach denen wir leben, aber diese Moralvorstellungen sind sehr flexibel und daher gibt es keinen Standard, wenn es um Ethik bei der Hundeerziehung geht.
Persönlich denke ich, dass im Umgang mit Hunden (oder Tieren im Allgemeinen) eine Menge Heuchelei herrscht, wenn es um Ethik geht. Allein die Formulierung „Hundeerziehung“ ist für mich ethisch fragwürdig. Es objektiviert ein Tier, von dem wir behaupten, es zu lieben. Da wir uns der Tatsache bewusst sind, dass wir nicht wissen, was Hunde wirklich denken und fühlen, sollten wir sie dafür wertschätzen, dass sie „anders“ sind. Aber hier liegt das Problem: Für mich besteht kein Zweifel daran, dass es egozentrisch ist, einen Hund zu lieben, weil wir von unserem Hund geliebt werden wollen. Es besteht die Illusion, dass wir uns mit unseren Hunden verbinden, anstatt sie zu kontrollieren. Wir tun so, als wäre die Zuneigung des Hundes zu uns ein freiwilliges Geschenk.
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