Wir Menschen reden gern - zumindest viele von uns. Das gesprochene Wort herrscht in unserem Alltag vor, sei es, dass wir selbst sprechen oder jemandem zuhören (obwohl Zuhören zu einer verschwindenden Kunst wird), oder sei es, dass wir einfach Hintergrundlärm gewohnt sind. Überall werden wir beschallt.

Wenn du den ganzen Tag mit Hunden zusammen bist - so wie ich das in meiner Hundetagesstätte bin - und kein Radio, Film oder Video auf YouTube läuft, dann herrscht Stille. Also fast zumindest. Man hört das Ticken der Wanduhr und hin und wieder schnarchende Hunde.
Hunde sind die meiste Zeit des Tages still. Wenn etwas Außergewöhnliches passiert, z.B. wenn jemand läutet oder die Nachbarskatze wieder mal frech an der Außenseite des Zauns entlang spaziert, dann bellen einige Hunde, aber nicht alle. Manche schauen nur.

Wenn zwei Hunde im Garten fangen spielen, immer wieder abstoppen und die Richtung wechseln, dann machen sie das auch ohne verbale Kommunikation. Sie werfen sich während des Laufens einen Blick zu, drehen ihren Körper und der andere weiß Bescheid und stoppt ab. Dann schnüffeln sie meist ein bisschen am Boden, pinkeln und wenn das Fangenspiel dann weitergehen soll, stellt sich einer mit gespreizten Vorderbeinen frontal hin, schaut den anderen auffordernd an, bevor er sich blitzschnell umdreht und losrennt, was den anderen dazu motivieren soll, ihm nachzurennen.
Was ich sagen möchte: Hunde kommunizieren meist schweigend mit Körpersprache, Blicken, Mimik, etc. Wir Menschen kommunizieren bewusst meist mit Worten, unterbewusst natürlich auch mit Körpersprache. Aber Schweigen ist auch Kommunikation!
Die Kraft des Schweigens
Sehr oft mag es für uns unnatürlich erscheinen, nichts zu sagen, jedoch liegt gerade auch im Schweigen eine große Kraft. Die Macht des Schweigens liegt in seiner Fähigkeit, eine tiefgreifende Wirkung zu erzielen, ohne ein einziges Wort zu sagen. Schweigen erlaubt uns, dem Chaos zu entfliehen und unsere Fassung wiederzuerlangen. Gerade in Situationen, in denen wir dazu tendieren, auf den Hund einzureden, z.B. bei Hundebegegnungen, sollten wir es mit Schweigen probieren. Schweigen lässt uns innehalten. Dieses Innehalten ist entscheidend. Es bietet die Möglichkeit, über die Situation nachzudenken und unsere nächsten Schritte wohl überlegt zu wählen. In diesem Schweigen gewinnen wir unsere Handlungsfähigkeit zurück. Wir erinnern uns daran, dass wir die Macht haben, unsere Reaktion zu bestimmen.
Schweigen in Konfrontationen
Stell dir vor, du und dein Hund begegnet beim Spaziergang einem anderen Mensch-Hund-Team. Dein Hund ist überfordert und bellt. Der andere Mensch sagt zu dir: „Sie sollten die Leine kürzer nehmen!“ - oder irgendwas in der Art. Jedenfalls ist jedes Wort in so einer Situation meist ein Trigger für dich, auf den du genervt mit Worten reagierst. Gerade jetzt kann Schweigen dem anderen den Wind aus dem Segel nehmen. Schweigen kann entwaffnend sein. Es stellt die Erwartung in Frage, dass jeder eine Reaktion verdient. Indem wir uns nicht auf die Kommentare einlassen, können wir unsere Kritiker verwirren und sie über ihre Wirkung im Unklaren lassen.
Oder bist du vielleicht die Person, die gerne „schlaue“ Bemerkungen fallen lässt? Sei still. Stille ermutigt uns, uns auf unsere eigenen Gedanken und Gefühle einzulassen und fördert ein tieferes Verständnis unserer selbst. Sie ermutigt uns, uns zu fragen, was wir in diesem Moment wirklich wollen, warum wir wirklich das Bedürfnis haben, eine Situation zu kommentieren.
Zurück zur Kommunikation mit Hunden. Auch dabei hat Schweigen etwas sehr Kraftvolles. Es kann als Grenze dienen und sendet eine klare Botschaft, die Hunde gut verstehen. In Momenten der Aufregung oder Konfrontation, z.B. wenn dein Hund dich anspringt, vermittelt Schweigen ein Gefühl der Kontrolle. Ein ruhiges Auftreten und langsame Bewegungen können die Atmosphäre völlig verändern. Wenn wir mit Schweigen reagieren, zeigen wir dem Hund, dass wir nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen sind, und demonstrieren unsere Belastbarkeit und emotionale Stärke. Das wiederum wird dem Hund mehr Sicherheit und Unterstützung bieten und seine Aufregung reduzieren. Manchmal ist die wirkungsvollste Reaktion, überhaupt nicht zu reagieren.

Mach einen Schweigespaziergang
Ich fordere dich auf, beim nächsten Spaziergang kein Wort mit deinem Hund zu wechseln. Will er gleich aus dem Auto springen, wenn du die Tür aufmachst? Zeig ihm schweigend mittlels Handsignal, dass er warten soll. Zieht er an der Leine? Mach ihm schweigend klar, dass du dich nicht von ihm ziehen lässt. Willst du die Richtung wechseln? Zeig ihm körpersprachlich, was du von ihm willst, nämlich dir zu folgen. Soll er an der Straße warten? Sag nichts. Bleib einfach stehen. Sei einfach still und ich verspreche dir, dein Hund wird sich plötzlich mehr an dir orientieren, und zwar freiwillig.
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