Warum dein Hund dich anspringt - und warum "Sitz" keine Lösung ist
- Sarina Kriechbaum
- 21. Apr.
- 6 Min. Lesezeit
Kennst du das? Dein Hund springt dich an – mal beim Heimkommen, mal mitten im Alltag – oder er hüpft fröhlich fremden Menschen entgegen. Für viele ist das unangenehm, unhöflich oder einfach nur nervig. Doch hinter diesem Verhalten steckt mehr als bloße „Aufmerksamkeitssuche“. In diesem Artikel schauen wir tiefer: Warum springen Hunde wirklich? Und wie kannst du sinnvoll darauf reagieren – ohne deinen Hund zu frustrieren oder in einen Sitz-Befehl zu pressen, der alles nur noch schlimmer macht?

Teil 1: Warum dein Hund dich anspringt
Viele Hundehalter:innen kennen es: Der Hund springt an ihnen hoch, zwickt vielleicht spielerisch oder bellt. All das wird oft als „nerviges aufmerksamkeitsheischendes Verhalten“ eingeordnet. Aber Vorsicht – das greift zu kurz.
Was dein Hund da eigentlich zeigt, ist ein echtes Bedürfnis nach: Verbindung. Nähe. Beziehung. Nicht einfach nur „Hallo, hier bin ich!“, sondern eher ein „Ich brauche dich gerade.“
Springen – ein Verhalten mit Wurzeln
Wenn wir uns anschauen, wie Welpen mit ihren Müttern und Geschwistern kommunizieren, wird einiges klarer. In einem Wurf konkurrieren Welpen um die Zuwendung der Mutter: Sie winseln, stupsen, zwicken, springen. Alles Verhaltensweisen, die überlebenswichtig sind, weil sie Nähe sichern. Nähe bedeutet Schutz, Wärme, Nahrung – kurz: Überleben.
Dieses Verhalten nennt man in der Fachsprache et-epimeletisches Verhalten – fürsorge-suchendes Verhalten. Es ist ein zutiefst soziales Verhalten, kein Trick, um dich zu manipulieren. Wenn dein Hund dich anspringt, sucht er Kontakt, Nähe, Rückversicherung. Nicht Dressur, sondern Beziehung.

Erwachsenwerden heißt: Lernen, wie Nähe geht
Erwachsene Hunde lassen sich normalerweise nicht mehr anspringen. Aber sie machen das nicht mit Drohgebärden klar, sondern mit feiner Körpersprache: Kopf abwenden, langsam werden, wegdrehen, blinzeln. Sie zeigen Grenzen – ohne die Verbindung zu kappen. Sie sagen: „So nicht – aber ich bin trotzdem da.“
Menschen hingegen? Wir neigen dazu, zu schimpfen, wegzustoßen oder zu ignorieren. Oder wir machen den Klassiker: „Sitz!“ – und erwarten, dass der Hund sich quasi zusammenreißt.
Auf diesen 3 Fotos sieht man eine erwachsene Hündin, die von einem Welpen bedrängt wird. Sie zeigt ihm ruhig, dass sie das nicht möchte und liefert den Welpen schließlich bei ihrer Freundin ab.
Aber Achtung: Wenn wir einem Hund, der Nähe sucht, einfach nur einen Sitz-Befehl um die Ohren hauen, ändert sich an seinem emotionalen Zustand gar nichts. Im Gegenteil: Wir produzieren oft sogar noch Frust.
Warum „Sitz“ beim Anspringen keine Lösung ist
Wenn dein Hund gelernt hat, dass „Sitz“ mit Futter oder Bestätigung verknüpft ist, entsteht eine Erwartung: Ich setze mich – und dann passiert etwas Gutes.
Wenn du ihn nun ins Sitz schickst, aber nichts kommt, weil du denkst „Ich will das Anspringen ja nicht belohnen“, entsteht ein innerer Konflikt: Der Hund war brav, aber das erwartete Ergebnis bleibt aus. Das frustriert. Und Frust ist emotionaler Stress.
Und: Wenn dein Hund zehnmal am Tag springt, ist das ein Zeichen dafür, dass sein Bedürfnis nach Nähe chronisch unerfüllt ist. Dann sorgt die Kombination aus Stress plus unerfüllter Erwartung für ein echtes Ungleichgewicht – das oft zu noch mehr unerwünschtem Verhalten führt.
Ignorieren? Auch keine Lösung.
Viele Trainer:innen empfehlen, das Springen zu ignorieren. Aber: Ein Hund, der springt, schreit nach Verbindung. Ignorieren fühlt sich für ihn an wie emotionaler Schmerz – und der ist, wie Studien zeigen, mindestens so schlimm wie körperlicher.
Sozialer Schmerz führt dazu, dass Hunde sich lieber anschreien oder wegstoßen lassen, als gar keine Rückmeldung zu bekommen. Sie nehmen sogar negative Aufmerksamkeit in Kauf, weil sie wenigstens etwas ist. Kein Wunder, dass so viele Hunde dann sogar noch wilder werden: Sie wollen einfach nur ankommen. Gehört werden. Verbunden sein.
Was tun? Bedürfnis erkennen – und befriedigen
Die Lösung liegt, wie so oft, nicht im Gehorsam, sondern in echter Kommunikation.
Beobachte dein Timing. Reagiere bevor dein Hund springt. Nimmt dein Hund Anlauf? Drehe dich zur Seite, zeige ein Handzeichen, verändere deinen Körperwinkel. So gibst du ihm die Chance, auf dich zu reagieren, bevor er überdreht. Er wird lernen, rechtzeitig abzubremsen, anstatt in dich reinzulaufen.
Sei aktiv, nicht reaktiv. Warte nicht ab, was dein Hund tut. Sei präsent und kommuniziere klar. Das macht dich berechenbar – und damit vertrauenswürdig.
Erfülle das Bedürfnis – auf sinnvolle Weise. Nähe ja – aber nicht auf dich drauf (und glaube mir - das kenne ich von meiner Hündin!). Nähe darf ruhig sein, darf Grenzen haben, darf achtsam gestaltet werden. Vielleicht brauchst du ein gemeinsames Ritual: Kurzes Streicheln. Ein Wort. Ein Blick. Wichtig ist: Du nimmst deinen Hund und seine Bedürfnisse wahr.
Hilf deinem Hund, sich zu regulieren. Manche Hunde brauchen etwas zum Kauen, andere wollen gehalten werden, einige entspannen sich, wenn sie etwas ins Maul nehmen können, oder wenn man ihnen die Ohren massiert. Finde heraus, was deinem Hund hilft, sich zu beruhigen – und gib es ihm bewusst.
Teil 2: Dein Hund springt fremde Menschen an
Das kann schnell unangenehm werden. Ein typisches Beispiel:
Du gehst spazieren, jemand kommt euch entgegen, lächelt schon von weitem freundlich und starrt dabei deinen Hund an. Dein Hund zieht an der Leine, springt die Person an, sobald diese nah genug ist, wedelt, leckt sich über die Nase, legt die Ohren an, dreht den Körper seitlich und ist generell sehr wuselig. Und du sagst peinlich angerührt: „Der ist so freundlich, der will nur Hallo sagen!“
Aber mal ehrlich – warum sollte dein Hund denn einen wildfremden Menschen freundlich begrüßen, den er noch nie im Leben gesehen hat? Ist das wirklich eine Begrüßung oder hat dieses Verhalten ein ganz andere Funktion?
Viele Hunde können solche Situation nicht gut einschätzen. Die Körpersprache fremder Menschen ist für den Hund oft bedrohlich, wenn sie geradewegs auf euch zukommen. Und dann steht dein Hund angeleint zwischen dir und der fremden Person und versucht, die Situation irgendwie zu entschärfen. Dabei ist er aufgeregt, unsicher und vielleicht auch ein bisschen neugierig. Von dir kommen keine klaren Signale, also macht der Hund, was er in dem Moment für richtig hält. Er beschwichtigt zuerst und zeigt dann distanzfordernde Signale oder Meideverhalten: sich über die Lippen lecken, blinzeln, sich zur Seite drehen, den Menschen anspringen, sich gegen den Menschen lehnen, splitten, dann der Versuch einfach wegzugehen, was aber oft nicht funktioniert, weil der Hund an der Leine ist und die beiden Menschen sich mittlerweile unterhalten. Das alles passiert innerhalb von wenigen Sekunden und lässt den Stresslevel des Hundes richtig schön ansteigen. Er befindet sich in einer möglicherweise konfliktbehafteten Situation, die er nicht deeskalieren kann, weil er entweder noch zu jung ist und nicht weiß, wie das geht, oder weil er in seiner Bewegung eingeschränkt ist. Von seinem Menschen kommt keine Hilfe, weil dieser die Situation ganz anders einschätzt.
Was du tun kannst:
Übe mit deinem Hund Abstandhalten, und zwar so viel Abstand, dass dein Hund bei Begegnungen mit fremden Menschen halbwegs entspannt bleiben kann, also z.B. einfach ruhig stehen bleibt oder schnüffelt, während du ein paar Worte wechselst. Wie groß muss dieser Abstand sein? Das bestimmt der Hund.
Erkläre anderen Menschen ruhig, dass dein Hund nicht begrüßt werden möchte. Verwende auch bei Menschen die Stopp-Hand und bitte sie, nicht näher zu kommen. Wenn das nicht geht, dann dreh um und geh mit deinem Hund weg.
Zeige deinem Hund, dass er sich nicht um diese fremde Person zu kümmern braucht, indem du ihm z.B. eine Leckerchensuche anbietest.
Beziehung statt Befehle
Du siehst also: Wenn Hunde springen, dann hat das verschiedene Gründe. Es kann sein, dass der Hund Nähe zu seiner Bezugsperson sucht, oder dass er in Kontakt treten will, weil er etwas braucht. Meine Hündin springt mich z.B. an, wenn sie Hunger hat. Das ist kein dominantes Verhalten, keine Kontrolle – sondern einfach: Der Wunsch nach Bedürfnisbefriedigung oder Verbindung.
Du kannst deinem Hund helfen, ruhig zu bleiben, indem du sein Bedürfnis anerkennst, es vorhersehbar erfüllst und ihm zeigst, wie Nähe geht – ohne Drama, ohne Druck.
Und: Bitte, bitte kein „Sitz!“ mehr in solchen Momenten. Dein Hund will keine Übung machen. Er will dich. Und genau das darfst du ihm geben – in einer Form, die euch beiden gut tut.
Wenn du mehr darüber lernen willst, dann kontaktiere mich gern. Ich zeige dir, wie du durch das Training der Nasenarbeit die Bedürfnisse deines Hundes befriedigst und ihn besser verstehen lernst.
Nasenarbeit ist die Brücke zwischen dir und deinem Hund.
Wenn du das auch für dich und deinen Hund möchtest, melde dich gern bei mir.
Es gibt 2 Möglichkeiten mit mir zu arbeiten:
1) Du wirst Mitglied im SchnupperClub. Das ist ideal, wenn du in Graz oder Umgebung lebst. Im SchnupperClub darf dein Hund seine natürlichen Bedürfnisse ausleben – und du lernst dabei, ihn wirklich zu sehen, zu verstehen und mit ihm auf einer tieferen Ebene zu kommunizieren. So entsteht eine Beziehung, die von Vertrauen, Klarheit und echtem Miteinander getragen wird.
2) Wir treffen uns 1:1 online. Mithilfe von Videoanalysen und Anleitungen zeige ich dir, wie du Nasenarbeit im Alltag einsetzen kannst, um diesen gelassener und stressfreier zu gestalten. So lernen du und dein Hund sich besser kennen, denn Nasenarbeit verbindet.
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