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Das erste Jahr - vom Welpen zum Junghund (Teil 1: Von der Geburt bis zum Welpenabholtag)

Ein Menschenbaby hat ein paar Jahre Zeit, um die Welt verstehen zu lernen, den Dingen Sinn zu geben. Welpen haben gerade mal ein paar Monate, um zu lernen, wie man sieht, frisst, kommuniziert, mit anderen Artgenossen und mit einer ganz anderen Spezies - dem Menschen - umgeht. Kurz: Wie man überlebt. Dieser ganze Lernprozess startet aber nicht erst, wenn der Welpe geboren ist, sondern beginnt schon im Bauch der Mutter. Die Ernährung der Mutter vor und nach der Geburt hat Einfluss auf die späteren Futterpräferenzen des Welpen und Junghundes.

Rottweiler Welpen

Wochen 1-2

Welpen verbringen 2 Monate im Uterus eng aneinander gepfercht. In den ersten 7 Tagen nach der Geburt sieht man meist nur Welpenhaufen. Sie liegen über-und untereinander, irgendwie ineinander gewickelt, sie brauchen die Nähe und Wärme. Dann beginnen sie langsam sich zu ent-wickeln. Ihre Augen sind während der ersten beiden Wochen noch geschlossen. Die Welt besteht aus Gerüchen. Wenn sie dann plötzlich sehen können, öffnet sich im wahrsten Sinne des Wortes eine neue Welt. Eine Welt mit Formen und Schattierungen. Ein Geruch bekommt plötzlich auch eine Gestalt.

Welpen schlafen

Zusätzlich öffnet sich jetzt auch langsam der Gehörkanal. Der Welpe nimmt nun nicht nur die lichtüberflutete Welt sondern auch noch Geräusche wahr. Der Gehörkanal öffnet sich im Laufe der nächsten paar Wochen zur Gänze. Die Welpen werden langsam an Lärm herangeführt.

Übrigens: Der Kopf der Welpen und die Augenhöhlen ist bei der Geburt relativ groß und sie haben eine breite Stirn und ein breites Maul. Während der ersten Lebenswochen wachsen die einzelnen Körperteile in unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Der Gaumen wächst schneller in die Länge als in die Breite; der Körper wächst schneller als der Kopf. Ein durchschnittlicher erwachsener Hund hat daher eine lange Schnauze und eine kleine Stirn. Das ist sozusagen "normal". Leider gibt es viele Hunderassen die gegensätzlich gezüchtet werden, mit kurzer Schnauze und großer Stirn. Da bleibt der Hund sozusagen im welpenähnlichen Stadium stecken. So hat die Natur das aber nicht vorgesehen, das ist reine Manipulation des Menschen, was zu vielen gesundheitlichen Problemen und viel Leid beim Hund führt.

Geöffnete Augen bedeuten, dass der Welpen nicht nur Dinge sieht, uns Menschen beobachtet und lernt, sondern auch, dass er mit uns zu kommunizieren beginnt. Wer kennt ihn nicht - den Hundeblick! Geöffnete Ohren wiederum bedeuten, dass der Welpe nicht nur Geräusche wahrnimmt, sondern auch erschrecken kann, und dass er zu bellen beginnt. Alles wichtige Dinge fürs spätere Leben.


Wochen 3-8

Es passieren viele wichtige Dinge in den ersten 8-10 Wochen, bevor der Welpe bei seiner neuen Familien einzieht. Mit 3 Wochen erreichen die Welpen zum Beispiel eine ganz wichtige Phase in ihrer Entwicklung: die Sozialisierungsphase. Was sie in den nächsten Wochen lernen, bildet die Grundlage für einen glücklichen, gesunden Hund. Sie lernen den Umgang mit anderen Hunden (Spiel und Aggression), sie lernen, Probleme zu lösen, wie und wen sie beeindrucken können, wovor sie sich in acht nehmen müssen (Angst) und wie man die Umwelt erkundet. Sie lernen Menschen zu ver- oder mistrauen. Das sind wichtige Informationen für zukünftige WelpenbesitzerInnen.

Für Welpen ist diese sensible Phase eine Zeit, in der sie nicht nur Hunden, sondern auch Menschen, Katzen, Kaninchen, Pferden, Kühen – allen Arten, mit denen sie später mal friedlich interagieren müssen – ausgesetzt werden können, um sie mit all diesen Tieren vertraut zu machen. Ein etwas extremes Beispiel dafür sind die Herdenschutzhunde, die mit den Schafen aufwachsen und so in ihre zukünftige Aufgabe - das Schützen der Schafherde - wortwörtlich hinein wachsen.

In dieser Zeit kann man die Welpen am leichtesten an Geräusche, Gerüche, unterschiedliche Umgebungen, etc. gewöhnen, was aber nicht heißt, dass sie sich nicht später im Leben auch noch daran gewöhnen können, vorausgesetzt sie haben zumindest keine Negativerfahrungen damit gemacht. Aber in der Zeit von der 3.-zur 14. oder 16. Lebenswoche geht es am einfachsten. Die Welpen sind sozusagen "offen für alles".

Grauer Welpe in der Wiese

Ab der vierten Woche werden die Welpen lebhafter. Sie lernen jetzt, mit ihrer Rute zu wedeln. Ja, auch das will gelernt sein! Die Rute ist wichtig bei Bewegungen, um das Gleichgewicht zu halten. Sie schwingen die Rute fröhlich hin und her, bewegen sie auf und ab wie Wünschelruten oder "fegen" den Boden damit. Jedenfalls hilft ihnen die Rute dabei, ihre Körper aufrecht zu halten. Mit der Fähigkeit sich mehr zu bewegen, kommt auch mehr Aktivität in die kleinen Körper und das Bedürfnis nach Umwelterkundung wächst. Jetzt wird alles erforscht, entdeckt und gekostet.

Und es gibt Bewegung im großen Stil: die Bewegung ihrer Körper im Raum. Die Welpen lernen jetzt nicht nur auf etwas zuzugehen, sondern auch in etwas hinein, auf etwas drauf, oder durch etwas zu gehen. Durch die Bewegung lernen sie die Größe ihres Körpers kennen und ihre kleinen Pfoten können sich an unterschiedliche Untergründe gewöhnen. Die Welpen entwickeln nun auch ihre Tiefenwahrnehmung, die wichtig ist, um die Dinge in 3 Dimensionen wahrnehmen zu können. Ohne Tiefenwahrnehmung ist die Welt flach und der Welpe würde überall runterfallen, weil er z.B. einen Abgrund als solchen nicht erkennen würde.


Passt das in mein Maul?

Boxer Welpe liegt auf der Wiese

Welpen haben scharfe Zähne. Das hat jede von uns schon mal zu spüren bekommen. Für Welpen ist es aber ganz wichtig, alles ins Maul nehmen zu können. So entdecken sie ihre Welt. Aber im Unterschied zu menschlichen Babys hören Welpen und Hunde nie auf "maulorientiert" zu sein. Nur weil sie etwas ins Maul nehmen, heißt das aber noch nicht, dass sie alles fressen wollen. Sie wollen wissen, wie es riecht und sich anfühlt und auch, wie man damit umgehen kann oder was man damit alles machen kann. Wie oft habe ich meine Luna beobachtet, als sie einen Stein ins Maul nahm und ihn in der der Mundhöhle hin- und herschupfte, ihn ausspuckte, wieder aufnahm, in die Höhe warf, etc. Gefressen hat sie ihn aber nicht. Durch die Interaktion mit dem Stein hat sie erkannt, dass er nicht essbar ist, dass man aber sehr wohl viele andere lustige Dinge damit machen kann. Ich denke, dass Hunde auch Dinge ins Maul nehmen müssen, um zu erkennen, wie groß der Gegenstand eigentlich ist. Die "Ins-Maul-Pass-Größe" ist quasi ihre Maßeinheit.


Soziales Lernen

Welpen lernen aber nicht nur durch Erkundung, sondern auch durch Beobachtung und Nachahmung anderer Hunde. Das ist eine wichtige soziale Fähigkeit und führt oft viel schneller ans Ziel. Der Welpe beobachtet seine Mutter dabei, wie sie in einen Teich oder Bach steigt und macht es ihr scheinbar furchtlos nach. Auch Spielen ist eine soziale Fähigkeit, bei der Welpen lernen, wie sie sich anderen gegenüber verhalten müssen, um mit ihnen interagieren zu können. Wie fest darf ich beißen, ohne dass mein Spielpartner böse wird? Wie muss ich mich bewegen, um meinen großen Bruder zum Spielen aufzufordern? Und was riecht meine Tante da am Boden? Soziales Lernen und Nachahmen sind also sehr, sehr wichtig.


Ab der 8. Woche werden die Welpen von ZüchterInnen in ihre neuen Familien vergeben. Warum ab der 8. Woche? Man hat herausgefunden, dass das genau die Zeit ist, in der wir Menschen Welpen als "am süßesten" empfinden, also fast nicht widerstehen können. Aber das ist auch die Zeit, in der die Welpen eine zweite Sozialisierungsphase durchmachen. Ab der 8. Woche nimmt die Angst zu und die Offenheit gegenüber fremden Personen ab. In der sog. "Angstphase" fürchten sich Welpen plötzlich vor neuen Dingen. Ein Stofftier, Gymnastikball oder wackeliges Brett können bei Welpen jetzt plötzlich Angstreaktionen hervorrufen (sich ducken, zittern, weglaufen, bellen, winseln, erstarren). Eine Folge davon ist, dass der Welpe sich besonders an die Person heften wird, die er bis jetzt als sicheren Anker erlebt hat, also der Züchter oder die Züchterin. Nimmt man die Welpen jetzt weg, kann das traumatisierend sein. Das ist natürlich von Hund und Rasse abhängig auch davon, wie die neue Familie nun reagiert und wie schnell sich der Welpe einlebt. Viele Welpen haben wenig Probleme mit der Anpassung an das neue Zuhause.


TIPP: Wenn man sich zu diesem Zeitpunkt einen Welpen aussucht, kann man schon einige Charaktereigenschaften erkennen, die der Hund höchstwahrscheinlich später im Leben auch zeigen wird. Bellt ein 8-wöchiger Welpen viel, um zu kommunizieren, dann wird er wahrscheinlich auch später öfters bellen. Ist der Welpe ängstlich gegenüber Menschen, wird sich auch diese Eigenschaft eventuell später wieder zeigen. Darauf sollten zukünftige WelpenbesitzerInnen unbedingt achten und sich darüber im Klaren sein, was das für ihren Alltag bedeuten könnte. Darauf muss man sich einstellen und vorbereiten.


Welpen-Abholtag und die Woche danach

Nun ist der Tag Null. Der Welpe wird geholt. In den ersten paar Stunden nach der Abholung wird der Welpe mehr erleben als in seinen ersten 8 Wochen. Alles neu. Zusätzlich wird er von seinen Geschwistern und der Mutter getrennt. Ich frage mich oft, wie Welpen so viel Neues verarbeiten können. Zeit und viel Schlaf helfen. Es ist immer wieder erstaunlich, wie schnell Welpen Neues erkunden, was sie vor wenigen Minuten noch als "gefährlich" eingestuft haben. Man kann dabei zuschauen, wie der junge Hund mit jeder Stunde mutiger wird.

Doch nun beginnt für den Menschen, die Zeit zu verschwimmen. Der Welpe, der beim Züchter nur süß und verspielt war, zeigt im neuen Zuhause bald andere Seiten. Ein neues Wesen entsteht. Das Wunschbild des zufrieden schlafenden Welpen, der eingerollt in deinen Armen liegt, wird ersetzt durch einen beißenden, rennenden, pinkelnden, winselnden jungen Hund, vor dem nichts in deinem Haus sicher ist. Der Welpe nimmt - wie zu erwarten - alles ins Maul. Schnell lernt der Mensch (wie gut, dass wir so gescheit sind), alle wertvollen Dinge hoch auf die Regale zu legen. Die alten Hunde knurren genervt und schauen dich vorwurfsvoll an ("Wie konntest du nur DAS ins Haus bringen?") und die Katze traut sich nicht mehr vom Kasten runter.

Schwarzer Labrador liegt

Trotzdem ist die Welpin einfach unheimlich süß. Ihre Kleinheit ist herzerwärmend. Luna hat einen Streifen auf der Nase, wo ihre schwarzen, kurzen Haare aufstehen, wie ein kleiner Irokesenschnitt. Wir nehmen sie mit in den Wald mit unseren alten Hunden. Keiner der Hunde ist angehängt. Die zwei alten machen ihr Ding und Luna scheint aus dem Staunen nicht rauszukommen.


Zwei Welten kollidieren

Nun ist die Stunde der Wahrheit gekommen, in der viele neue WelpenbesitzerInnen realisieren: "Ach, du meine Güte! Ich habe zwar alles besorgt, was in den schlauen Welpenbüchern steht, aber DAS hat mir vorher niemand gesagt." Was ist dieses "DAS", von dem schockierte Welpeneltern sprechen? Es ist die Kollision zweier Welten - der menschlichen mit der hündischen, die besonders für erstmalige WelpenbesitzerInnen eine große Herausforderung sein kann: das Bellen, Pinkeln und Beißen; die "Zoomies", das Winseln und der Durchfall im Wohnzimmer; die schlaflosen Nächte, die angebissenen Möbel und zerkaute Sonnenbrille. Das alles steht nämlich in keinem Buch. Kurz gesagt: Der Welpe versteht unsere Welt nicht, unsere Regeln sind für ihn nicht existent. Er zeigt daher "Problemverhalten" - so wird das auf Formularen von HundeverhaltensberaterInnen genannt. Der Welpe weiß nicht, wie man sich im Menschenhaus respektvoll verhält, er versteht die persönliche Fürwörter "mein" und "unser" nicht. Auch das Wort "Nein" hat keine Wirkung auf ihn.


Stell dir vor, du müsstest lernen ein Hund zu sein!

Obwohl man in den Medien vermittelt bekommt, dass Hunde brav an unserer Seite an lockerer Leine spazieren, dass sie ruhig unterm Tisch im Kaffeehaus liegen, und dass sie ihre Nase beim Fenster des fahrenden Autos rausstrecken ("Sooo niedlich!"), so ist die Wahrheit doch eine andere. Für Hunde ist es ganz und gar nicht "normal", neben uns herzutrotten. Sie gehen lieber im Zick-Zack, ändern ihr Tempo vom Schritt in den Trab und wieder in den Schritt, sie bleiben oft stehen, um zu schnüffeln, graben Mäuse aus und jagen auch gern mal einem Hasen oder der Nachbarskatze hinterher, nur um abrupt abzustoppen, umzudrehen oder stehen zu bleiben, um die Gegend abzuscannen. Hunde warten, wenn sie andere Hunde sehen, sie ziehen an der Leine, um schneller zu anderen Hunden oder Menschen hinzukommen, sie springen Fremde an, sie schnüffeln ewig an einer Stelle und würden alles dafür tun, um die Rehperlen im Laub oder die Essensreste um die Mülltonne aufzusammeln. Welpen lernen erst durch Erfahrungen, wie sie in Gegenwart von uns Menschen an ihr Ziel, z.B. die Leckerchen, kommen. Stell dir vor, du müsstest lernen, ein Hund zu sein! Und dann stell dir vor, du müsstest lernen, ein Hund unter Menschen zu sein!


Die Welt steht Kopf

Die Herausforderung einen Welpen großzuziehen ist keine kleine. Jedes unerwünschte Verhalten, das der Welpe zeigt, erinnert uns daran, dass wir irgendwas versemmelt haben, oder - im besseren Fall - , dass wir dem Kleinen noch etwas beibringen dürfen. Nur weil der Welpe in den ersten Wochen immer fröhlich zu uns gelaufen kommt, wenn wir ihn rufen, heißt das noch lange nicht, dass "der Rückruf" funktioniert. Nein, nein. Verlass dich drauf: Dein Hundeteenager wird so tun, also ob er die Worte "Zu mir" noch nie im Leben gehört hätte.


Der Welpe wird in den ersten Wochen im neuen Zuhause lernen, und zwar die ganze Zeit. Er wird lernen, Dinge in Kategorien einzuteilen: in freundlich und unfreundlich, in Familie und andere Menschen, in Dinge, die man ablecken und ins Maul nehmen darf und solche, bei denen man das nicht darf. Unsere Aufgabe ist es, dem Welpen dabei zu helfen, dass Menschenfinger nicht angekaut werden dürfen, aber Holzstecken schon.


Ein Welpe verändert dein Zuhause. Sobald der Welpe über die Türschwelle tritt, ist dein Heim nicht mehr das, was es einmal war. Du wirst beginnen, anders über deine Möbelstücke zu denken. Tischbeine werden zu Kauspielzeug, Teppiche zur Toilette. Sessel werden unnötig, weil du die meiste Zeit mit dem Welpen am Boden verbringst in einem welpensicheren Raum, während sich deine Möbel von der Nagerei erholen können.


Ende Teil 1


Hast du gerade einen Welpen oder hast du vor, dir einen zu nehmen? Ich unterstütze dich gern und begleite dich von der Zeit vor dem Einzug (Auswahl des Züchters, des Welpen, etc.) durch die Welpenzeit und die Pubertät. Informiere dich unter www.hundeschulegraz.com oder kontaktiere mich per Mail an info@nasenarbeit-hunde.com.

Frau und schwarzer Labrador laufen über die Wiese

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